Pressemitteilung zu Femiziden in Göttingen

Keine Mehr! – Gewalt an Frauen beenden

Wir sind bestürzt von den Morden an zwei Frauen. Wir bekunden den Angehörigen unser tiefes Beileid.

Leider handelt es sich bei diesen Morden nicht um Einzelfälle, deshalb möchten wir  sie politisch einordnen. Wir wollen nicht die Toten instrumentalisieren, sondern kritisieren den medialen und gesellschaftlichen Umgang mit diesen grausamen Taten.

Die Berichterstattung über die Morde ist sowohl in den lokalen Medien als auch überregional in weiten Teilen entsetzend. Dies liegt auch an der Pressearbeit der Polizeidirektion Göttingen. Es fehlt jede Einordnung der Taten als das, was sie sind: Femizide. Der Begriff Femizid bedeutet die Tötung von Frauen durch (Ex-)Partner oder abgewiesene Männer. Das findet keine Erwähnung in den meisten der vielen Artikel zu den Morden. (1) Ein paar wenige Ausnahmen sind der Spiegel, bei dem mindestens in einem Artikel darauf hingewiesen wurde, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt (2) und das Neue Deutschland, welches ihren Artikel zumindest mit dem #Femizid versehen hat. (3) Besonders negativ fallen die Hannoversche Allgemeine und die Sächsische Zeitung auf, indem sie tatsächlich in Überschriften fragen: ‚Motiv unerwiderte Liebe?‘ (4) (5) Unsere Pressesprecherin Aileen Münz dazu: „Liebe ist kein Motiv zu morden, egal ob erwidert oder nicht. Frauenhass hingegen schon. Leider bedient auch die Polizei Göttingen das Narrativ der unerwiderten Liebe, indem der Kripo-Chef Thomas Breyer davon spricht, der Täter habe beim Opfer ‚nicht landen können‘.“

Die männliche Dominanz und Besitzansprüche in unserer Gesellschaft führen zu Gewalt gegenüber Frauen. Es ist wichtig, das Problem Frauenhass in aller Klarheit zu benennen. Laut Zahlen des Bundeskriminalamts aus dem Jahr 2017 versucht in Deutschland täglich ein Mann seine (Ex-) Partnerin zu töten, jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. 2017 wurden über 113.000 Frauen Opfer sogenannter partnerschaftlicher Gewalt. (6) Das Thema bleibt aktuell. Alleine in diesem Jahr sind schon 96 Frauen getötet und 31 weitere verletzt worden, zum Teil schwer. (7) Dass das Problem in Deutschland ausgeblendet wird, wird unter anderem dadurch deutlich, dass der Begriff ‚Femizid‘ nur als ausländisches Problem anerkannt wird. (8)

Unsere Pressesprecherin Aileen Münz dazu: „Das dröhnende Schweigen in Bezug auf Femizide ist für uns nicht hinnehmbar! Morde an Frauen werden nur dann politisiert, wenn sie rassistisch instrumentalisiert werden können. Wir fordern die Presse, die Politik und die Gesellschaft auf, Femizide konsequent zu benennen, auch wenn sie von weißen, deutschen Männern begangen werden. Die systematische Gewalt von Männern gegenüber Frauen ist in allen Fällen zu thematisieren. Insbesondere für die Presse ist es noch nicht zu spät, die Fehler in der Berichterstattung einzugestehen und die fehlende Einordnung nachzuholen. Als feministische Gruppe kämpfen wir gegen jede patriarchale Gewalt und werden nicht ruhen bis diese ein Ende hat!“

Wir rufen auf, am 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, mit uns auf die Straße zu gehen. Weitere Infos dazu werden wir in den kommenden Wochen veröffentlichen.  Wir fordern:

  • Ein Ende der Gewalt an Frauen!
  • Die Thematisierung struktureller Gewalt an Frauen und die Anerkennung von Femiziden als gesellschaftliches Problem auch in Deutschland!
  • Stärkung aller Hilfsangebote für von Gewalt betroffene Frauen! (Frauenhäuser, Frauen-Notruf etc.)
  • Massive Förderung von unabhängigen feministischen Projekten zur Sensibilisierung und Gewaltprävention!
  • Konsequentes Vorgehen gegen Frauenfeindlichkeit, auf politischer, ökonomischer, kultureller und individueller Ebene!

Anfragen für schriftliche Interviews an: feminismusgoe@riseup.net

 

 

Quellen:

(1)           https://www.goettinger-tageblatt.de/Die-Region/Goettingen/Der-mutmassliche-Doppelmord-in-Goettingen-Was-die-Polizei-bisher-nach-der-Festnahme-weiss-Fragen-und-Antworte-Auch-zweites-Opfer-gestorben

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/goettingen-weiteres-opfer-des-mutmasslichen-goettinger-frauenmoerders-ist-tot-a-1289119.html

https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/mutmasslicher-moerder-festgenommen-zweite-frau-in-goettingen-erliegt-verletzungen/25065908.html

https://de.euronews.com/2019/09/28/schock-uber-frauenmorder-in-gottingen-2-frau-nach-angriff-gestorben

https://rp-online.de/panorama/deutschland/goettingen-mutmasslicher-moerder-gefasst-doch-was-war-sein-motiv_aid-46154415

https://www.saechsische.de/mutmasslicher-moerder-in-goettingen-gefasst-5123750.html

https://www.welt.de/vermischtes/article201091660/Goettingen-Mutmasslicher-Doppelmoerder-fragte-am-Telefon-nach-Opfer.html

https://www.harzkurier.de/article227225377/Polizei-Beschuldigte-hat-keine-Angaben-zur-Tat-gemacht.html

https://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Motiv-unerwiderte-Liebe-Die-grausame-Tat-des-Goettinger-Frauenmoerders

Brutale Morde in Göttingen: Die zwei Gesichter des Frank N.

https://www.n-tv.de/panorama/Goettinger-war-wegen-Vergewaltigung-in-Haft-article21300929.html

https://www.morgenpost.de/vermischtes/article227212323/Goettingen-Mord-mutmasslicher-Taeter-Frank-N-schweigt-Polizei-vermutet-dieses-Motiv.html

 

(2)           https://www.spiegel.de/panorama/justiz/goettingen-mutmasslicher-frauenmoerder-schweigt-zu-vorwuerfen-a-1289189.html

(3)           https://www.neues-deutschland.de/artikel/1126449.frauenmord-in-goettingen-mann-ersticht-zwei-frauen-auf-offener-strasse-taeter-gefasst.html?sstr=G%C3%B6ttingen

(4)           https://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Motiv-unerwiderte-Liebe-Die-grausame-Tat-des-Goettinger-Frauenmoerders

(5)           https://www.saechsische.de/mutmasslicher-moerder-in-goettingen-gefasst-5123750.html

(6)                https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Partnerschaftsgewalt/Partnerschaftsgewalt_2017.html?nn=63476

(7)           http://www.onebillionrising.de/femizid-opfer-meldungen-2019/

(8)           https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-5906_de.htm